Die Lean Coffee Methode ermöglicht ein Meeting ohne vorher festgelegte Agenda. Sie kann die Selbstorganisation fördern und frischen Wind in den Arbeitsalltag bringen. Wir erklären, wie's geht.
Inhalt
Vor allem in schnelllebigen Arbeitsumgebungen, fällt es schwer, Meetingagenden vorab festzulegen. Denn oft trudeln noch in den letzten Minuten vor Meetingbeginn wichtige Informationen ein, die unbedingt besprochen werden sollte. Wo könnte man denn elegant diese neuen Themen noch unterbringen? Zu Beginn des Meetings oder am Ende? Oder stellt man die ganze Agenda noch einmal um? Egal wie man es macht, irgendjemand könnte sich potenziell durch die Veränderung der Agenda benachteiligt fühlen.
Ein eleganterer Weg, um solchen turbulenten Meetings zu begegnen, ist das sogenannte „Lean Coffee“.
Was ist die Lean Coffee Methode?
Bei Lean Coffee handelt es sich um ein Meetingformat, das erstmals im Jahr 2009 von Jeremy Lightsmith und Jim Bensen unter diesem Namen durchgeführt wurde. Das Format ermöglicht den Teilnehmenden ohne vorbereitete Agenda ein Meeting strukturiert und effizient durchzuführen. Dazu wird die Agenda gleich zu Beginn des Meetings in einem durchmoderierten Prozess erstellt. Anschließend werden die priorisierten Themen in der entsprechenden Reihenfolge besprochen, wobei eine Uhr konstant mitläuft. Nach Ablauf der Zeit wird durch eine kurze Abstimmung evaluiert, ob weiterer Besprechungsbedarf für das Thema besteht oder nicht.
Die Vorteile
Meetings, die dem Lean Coffee Format folgen bringen zahlreiche Vorteile mit sich:
besonders einfache Meetingmethode
kurzes, strukturiertes und effektives Meetingformat
hohe Motivation, da die Teilnahme freiwillig ist
geringer organisatorischer Aufwand für Vor- und Nachbereitung
Einbeziehung aller Teammitglieder und Diskussion auf Augenhöhe
Möglichkeit zum regelmäßigen Austausch
Die Nachteile
Natürlich hat auch die Lean Coffee Methode Nachteile:
nicht geeignet für sehr große Teams
der/die Organisator/in hat keine Kontrolle über die Meeting-Agenda
Für welche Meetings eignet sich die Lean Coffee Methode?
Da Lean Coffee Meetings den Fokus auf die Teilnehmenden legen, eignet sich die Methode für alle Meetings, bei denen der Austausch und die Synchronisation der Teammitglieder im Fokus steht. Typische Anwendungsbeispiele sind Retrospektiven und Meetings zum Wissentransfer oder Erfahrungsaustausch.
Wie bereite ich das Lean Coffee Meeting vor?
Im Nachfolgenden beschreibe ich dir, wie ich das Lean Coffee bevorzugt durchführe. Je mehr Beiträge du dir durchliest, desto mehr Variationen werden dir auffallen. Finde einfach die, die am besten für dich passt.
Wie lange dauert ein Lean Coffee?
Ich empfehle als Daumenregel ein Lean Coffee zu Beginn mit einer Stunde anzusetzen. Sollte es früher fertig sein, weil bereits alles besprochen wurde und sollte sich dies regelmäßig wiederholen, könnt ihr euren Serientermin entsprechend verkürzen. Falls ihr mehr Zeit braucht, reflektiert am besten vor Veränderung der Dauer, ob ihr wirklich konstant einen größeren Themenumfang habt und dafür die Dauer verlängern möchtet oder ob ihr die Frequenz eures Meetings erhöhen wollt, d.h. beispielsweise zweimal statt einmal pro Woche. Ihr solltet die Dauer nur dann verlängern, wenn ihr das Gefühl habt, dass ihr bereits eure Effizienz optimiert habt.
Die Einladung
Damit die Teilnehmenden wissen, was auf sie zukommt, solltest du in die Meetingeinladung schreiben, dass das Meeting im Lean Coffee Format durchgeführt wird.
Da Bilder mehr sagen als Tausend Worte, empfehle ich auch wärmstens eine prägnante Visualisierung des Lean Coffee Ablaufs anzufügen. Bediene dich dabei gerne unseres Lean Coffee Posters.
Timer
Des Weiteren solltest du idealerweise einen sichtbaren Timer organisieren. Für Präsenzmeetings hat sich der Time Timer als analoges Tool bewährt. Ich selbst habe die Time Timer App auf meinem iPad installiert und stelle dies sichtbar für alle auf. Am Ende reicht beispielsweise die Visual Timer Funktion von Windows – auch für online Meetings. Solltet ihr ohnehin ein visuelles Whiteboard verwenden, könnt ihr die dort integrierte Timer-Funktion nutzen. Die Hauptsache ist, dass der Timer für alle sichtbar ist.
Festhalten der Ideen
Für Präsenztermine empfehle ich ausreichend Post-its und Stifte für alle bereitzuhalten, auf denen später die Agendapunkte notiert werden. Unsere Präferenz liegt bei den Super Sticky Post-its von 3M, da diese am besten an der Wand haften und den Outliner-Stiften (No. One) von Neuland, wobei hierfür auch alle anderen Flipchart-Marker geeignet sind. Optional bedarf es auch Klebepunkte für das Dot-Voting, wobei hier auch einfach Striche mit den Stiften gemacht werden können. Außerdem kann das Taskboard vorab vorbereitet werden. Dafür reichen drei Post-its mit den Überschriften „Thema“, „In Bearbeitung“ und „Erledigt“.
Im virtuellen Raum braucht es idealerweise ein geeignetes Whiteboard-Tool, auf das alle zeitgleich zugreifen können. Ob Miro, Mural oder Conceptboard ist dabei zunächst egal. Selbst das Microsoft Whiteboard kann hierfür verwendet werden, auch wenn es in Sachen Funktionalität mit den anderen Anbietern nicht mithalten kann. Der große Vorteil der großen Whiteboard-Anbieter ist, dass sie eine anonyme Abstimmfunktion haben, die direkt für die Priorisierung verwendet werden kann. Auch hier kann das entsprechende Taskboard bereits vorab vorbereitet werden.
5 Tipps für den Erfolg der Lean Coffee Methode
1. Ermutige zur aktiven Mitarbeit
Die Lean Coffee Methode verlang von allen Teilnehmenden aktive Mitarbeit. Gerade wenn dieses Format für das Team noch neu ist, braucht es etwas Ermutigung. Es kann sinnvoll sein, die Teammitglieder bereits in der Einladung daran zu erinnern, Diskussionsthemen mitzubringen.
2. Nutze ein einfaches Abstimmungssystem
Für die Abstimmung (siehe Schritt 3 unten) muss ein einfaches Abstimmungssystem her. Wir empfehlen für die Lean Coffee Methode das sogenannte Dot-Voting mit kleinen Klebepunkten. Alternativ kann man auch Striche auf die Themenzettel zeichnen und diese anschließend zählen. Auch Büroklammern lassen sich zum Abstimmen nutzen.
3. Lean Coffee in Kombination mit anderen Methoden
Ein Lean Coffee Meeting lässt sich wunderbar mit anderen Methoden des agilen Projektmanagements kombinieren. Beispielsweise lässt sich das Meeting mit Check-in Fragen zu Beginn auflockern und eine gute Atmosphäre schaffen.
4. Offene und gleichberechtigte Kommunikation
Sorge dafür, dass alle Teilnehmenden gleichberechtigt zu Wort kommen. Beim Pitch der Themenvorschläge kann dabei eine Stoppuhr helfen. Kündige im Vorfeld an wie viele Sekunden pro Thema jedem Teammitglied zur Verfügung stehen.
5. Notizen und Dokumentation
Alle Themenideen und Diskussionspunkte aus dem Lean Coffee Meeting sollten dokumentiert werden. Dafür eignen sich einfache aber ausführliche Notizen.
Anleitung: So funktioniert ein Lean Coffee Meeting
TEIL 1: Der Weg zur priorisierten Agenda
Schritt 1: Themen sammeln
Die Themen, die gesammelt werden, sollten natürlich zum vereinbarten Meetinginhalt passen, beispielsweise zu dem Projekt oder dem gemeinsam Produkt. Die Themen können je nach zeitlichem Rahmen individuell gesammelt oder zu zweit gebrainstormt werden. Das liegt in der Einschätzung der moderierenden Person. In jedem Fall sollte dieser Prozess schnell vonstattengehen. Einzelne Worte reichen, da im nächsten Schritt die Möglichkeit zur Erläuterung der Themen besteht.
Schritt 2: Themen pitchen
Die Themen werden kurz und knackig von den Teilnehmenden vorgestellt. Dieser Schritt hat das Potenzial auszuufern. Falls du dies bei deinen Teilnehmenden befürchtest, kannst du bereits an dieser Stelle einen 30-bis 60-sekündigen Timer einführen, wobei die Länge von der Anzahl an gesammelten Themen und deiner Meetingdauer abhängt. Kündige vorab an, dass Doppelnennungen vermieden werden sollten. Sollte ein Thema bereits vorgestellt worden sein, kann das zweite, identische Post-it einfach dazugeklebt oder entsorgt werden. So entstehen wahlweise Themencluster oder einzelne Themen-Post-Its. Auch das liegt im Ermessen der moderierenden Person.
Schritt 3: Priorisieren durch Dot Voting
Nachdem alle Themen vorgestellt und ausreichend voneinander abgegrenzt wurden, findet das Dot-Voting statt. Bei der Anzahl der Punkte, die die Teilnehmenden bekommen, gibt es unterschiedliche Vorgehensweisen. Ich vergebe gerne sechs Punkte und bitte die Teilnehmenden einmal drei, einmal zwei und einmal einen Punkt zu vergeben. So sind die eigenen Themen bereits gewichtet. Alternativ gibt es noch eine Daumenregel, die besagt, dass die Punkte ungefähr einem Fünftel der verfügbaren Optionen entsprechen sollten. Egal welche Option man als Moderator*in wählt, es können immer Gleichstände entstehen, was nicht schlimm ist. Es braucht nur eine ausreichend große Streuung für eine halbwegs klare Priorisierung.
Damit es so wenig gegenseitige Beeinflussung wie möglich gibt, empfehle ich, dass die Teilnehmenden sich zuerst überlegen, wie sie ihre Punkte vergeben. Sobald sie das wissen, treten sie einen Schritt weg von der Wand und erst wenn sich alle entschieden haben, werden die Punkte zeitgleich geklebt bzw. gezeichnet. Im virtuellen Raum kann in Tools wie Miro, Mural oder Conceptboard unmittelbar mit der Punktevergabe gestartet werden, da diese ohnehin anonym stattfindet. Es besteht die Option, einen Timer einzustellen. Die gesamte Funktionalität der Punktevergabe sollte natürlich vorab technisch geprüft werden, sodass im Meeting selbst alles reibungslos abläuft
Schritt 4: Themen auf das Agenda-Task-Board übertragen
Dieser Schritt geht sehr schnell, da er nur daraus besteht, die Themen in priorisierter Reihenfolge auf ein Task Board zu übertragen. Sollte es gegebenenfalls Gleichstände beider Priorisierung gegeben haben, kann hier kurz ein Lösungsvorschlag für die Agenda diskutiert werden. Schritt 1 bis 4 sollten in Summe nicht mehr als 15 Minuten brauchen. Beim ersten Lean Coffee werdet ihr diesen Zeitrahmen vermutlich sprengen, jedoch werdet ihr als Team von Mal zu Mal eingespielter.
TEIL 2: Diskutieren der Themen
Jetzt kommt endlich der spannende Teil: Die Themendiskussion.
Dafür stellst du einen Timer auf 8 Minuten. Nach 8 Minuten klingelt der Timer und die Teilnehmenden mit folgenden Optionen ab: Daumen hoch: Ich möchte weitere 4 Minuten zu diesem Thema diskutieren
Daumen runter: Ich habe genug zu diesem Thema gehört
Flache Handfläche hoch: Ich unterstütze die Mehrheit
Sind gleich viele oder mehr Daumen oben als unten, gibt es weitere 4 Minuten für Runde zwei. Die Verlängerung in Runde 3 beträgt 2 Minuten. Und in der finalen vierten Runde gibt es eine Minute, bevor es spätestens jetzt zu einer kurzen Dokumentation geht, wobei ich empfehle, die Dokumentation bereits parallel anzufertigen. Benötigt das Thema immer noch mehr Raum, empfehle ich hierfür ein Follow-up Termin mit einem gegebenenfalls kleineren Personenkreis außerhalb dieses Meetings anzusetzen. Nach spätestens 15 Minuten geht es zum zweiten Thema.
Variation: Eine beliebte Variation des Lean Coffee sind beliebig viele 5 Minuten Timeboxen statt des 8-4-2-1-Minuten Formats. Probiere gerne beides aus und schau, was bei deinem Team besser ankommt. Jedes Team hat da andere Präferenzen.
Ansonsten gilt wie gewohnt: Die Methodik dient als Inspiration und du darfst und sollst sie natürlich beliebig nach deinem Bedarf anpassen.
Viel Spaß in deinem nächsten Lean Coffe.
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